Die Gesamtstruktur
wird geprägt von der eindeutig barocken Auffassung einer strengen
Axialsymmetrie und der deutlichen Form eines Fassadenbaus mit einer repräsentativen
Schauseite zur Straße hin, wobei der breite Vorgartenstreifen zwischen
Straße und Fassade wie ein Platz die Schauwirkung der Fassade deutlich
unterstützt.
Aus der horizontal betonten
Fassade tritt der mittlere Teil als stark betonter Risalit hervor und wird
durch kräftige und breite Lisenen, die über dem Kranzgesims
in hohen Ziervasen fortgesetzt
werden, in drei Achsen gegliedert, wodurch eine konstrastierende Betonung
der Vertikalen entsteht. In der Mittelachse befindet sich das durch zwei
toskanische Säulen flankierte und mit einem Schmuckgiebel über
einem antikisierenden Architrav gekrönte Portal.
Besonders betont werden die
Fenster der Aula, die sich analog dem Festsaal barocker Schlösser
im Mittelrisalit befindet. Bei diesen drei Fenstergruppen variiert Rowald
das Palladiomotiv, bei dem ein Bogen von zwei mit geradem Gebälk abgeschlossenen
schmaleren Öffnungen flankiert wird, indem er die Fensterbreite auf
die der anderen Etagen bezieht und die dadurch größeren Mauerflächen
neben den Bögen mit Oculi öffnet. So erhält die Fensterfront
des höheren Mittelrisalits einen noch durch Pilaster und ein stark
verkröpftes Gesims zusätzlich unterstützten rhythmisch bewegten
oberen Abschluss.
Die horizontale Ausrichtung
des lang gestreckten dreigeschossigen Gebäudes mit den insgesamt sieben
Hauptachsen wird deutlich betont durch verkröpfte Ge-schossgesimse
und das waagerecht tiefgefugte Mauerwerk im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss.
Dem repräsentativen
Charakter der Fassade entspricht auch die Verwendung von festlich wirkendem
roten Miltenberger Sandstein, einem in Norddeutschland äus-serst selten
verwendeten Main-Sandstein. Repräsentative Bauten in Hannover (Rathaus,
Landesmuseum ...) wurden in der Regel aus dem hellen Obernkirchener Sandstein
der nahen Bückeberge gebaut.
Hinter dem Portal öffnet
sich eine früher mit antikisierendem Stuck ausgestattete und von einer
mit Fenstern versehenen Holzwand abgegrenzte Eingangshalle mit einer von
zwei Podesten flankierten siebenstufigen Treppe. Diesem Vestibül gegenüber
steigt eine breite mittelläufige, von einer großen Fensterfläche
hell beleuchtete Treppe empor, die sich in halber Geschosshöhe in
zwei gegenläufige Treppenarme aufteilt. Dieses Treppensystem lässt
sich unmittelbar zurückführen auf die großartigen Anlagen
der Barockbaumeister L. von Hildebrandt in Wien und Balthasar Neumann in
Würzburg und Brühl.
„Bei zentraler Lage fängt
die Treppe die ... Achse direkt auf ... Den Verlust an Nutzraum im Zentrum
wiegen die Steigerung des Raumeindrucks, die Wahrung der Symmetrie und
die gleichmäßige Erschließung nach beiden Seiten auf.
Die Entscheidung zwischen zentraler und seitlicher Anordnung fällt
jeweils in einer Art von Rangstreit zwischen praktischer Vernunft und Streben
nach dem Ideal“ (Müller/Vogel: dtv-Atlas zur Baukunst, Bd.2, München
1982, S. 473).
Die Treppe vom zweiten Obergeschoss
zum Mansardengeschoss, das 1902 für Schulzwecke ausgebaut wurde, befand
sich ursprünglich am Ende des westlichen Korridors.
Breite Korridore, die ursprünglich
überwölbt waren, betonen im Innern in Verbindung mit dem Treppenhaus
die axialsymmetrische Anlage. Zu beiden Seiten der an der Stirnseite durch
große Fenster beleuchteten Korridore befanden sich die Klassenräume,
die wenigen Fachräume und in der ersten Etage die Lehrerzimmer. Die
Strenge der Symmetrie wurde allerdings 1909 geringfügig gestört,
als der Bau in der Südwestecke entgegen dem ursprünglichen Plan
um einige Meter Korridor und einen Klassenraum in jeder Etage (Räume
6, 16, 26, 36) erweitert wurde.
Die kürzere Hoffront
ist weitaus schlichter gehalten, das in der Mitte liegende Treppenhaus
und die äußeren Enden sind durch die Form ihrer Fenster und
als geringfügig hervortretende Risalite etwas hervorgehoben. Die Wandflächen
sind geputzt und in einem hellen gelblichen Ton gestrichen, die Gesimse
waren ursprünglich „in rötlicher, dem Sandstein entsprechender
Färbung mit Ölfarbe gestrichen“.
Wenn sich auch die architektonische
Gestaltung in einem durchaus konven-tionellen Rahmen hält, allerdings
unter deutlichem Verzicht auf die damals allgemein üblichen pompösen
Schmuckformen und Symboldarstellungen, so ist doch die funktionale Planung
und Ausstattung äußerst fortschrittlich. Nach außen hin
wird dieser Aspekt bereits deutlich durch die riesigen Fenster, die den
Räumen eine große Menge Licht zuführen.
Aufgrund dieser fortschrittlichen
funktionalen Ausstattung, zu der neben elektrischer Beleuchtung und Zentralheizung
auch ein Warmluftsystem gehörte, wurde dieser Schulbau auf der Weltaustellung
in St. Louis 1904 mit einer Medaille prämiert.
Jürgen
Schmitz-Reinthal
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