LEBENSBILD DER KURFÜRSTIN SOPHIE
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Lebensbild der Kurfürstin Sophie
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Die Sophienschule hatte als erstes Gymnasium für Mädchen in Hannover einen historischen Namen erhalten, der eng mit der Stadt Hannover verbunden ist: „Kurfürstin Sophie“. Die später entstandenen Mädchengymnasien in Hannover haben Namen von Frauen, die zwar bahnbrechend auf ihren Lebensgebieten, aber kaum mit Hannover verbunden waren. Den geistigen Partner der Sophie, den Philosophen Leibniz, findet man dann im Namen der Leibnizschule, einer anfangs reinen Jungenschule.

Der folgende tabellarische Lebenslauf der Kurfürstin dient der Orientierung:

1630 wird die Prinzessin Sophie von der Pfalz als 12. Kind in Den Haag (Holland) geboren, wo ihr Vater als vertriebener Kurfürst von der Pfalz (der „Winterkönig“) mit seiner Frau, Elisabeth Stuart, und den Kindern in Verbannung lebt.

1650 wird das Schloss in Heidelberg der Wohnsitz von Sophie bei ihrem Bruder Karl Ludwig (1617-1680).

1658 heiratet Sophie in Heidelberg den Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg (1629-1698).

1660 wird der erste Sohn geboren, der Erbprinz Georg Ludwig (1660-1727).

1661wird Herzog Ernst August in Osnabrück evangelischer Bischof und Sophie die „Frau Bischöfin“.

1668 wird die einzige Tochter Sophie Charlotte (1668-1705) geboren.

1680 zieht Ernst August in sein Herzogtum Braunschweig-Lüneburg zurück und wohnt mit seiner Frau, der Herzogin Sophie, und seiner Familie im Leineschloss zu Hannover.

1680 beruft Sophie den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) nach Hannover an ihren Hof.

1682 heiratet der Erbprinz Georg Ludwig die Tochter seines Onkels, Sophie Dorothea (1666-1726), von der er sich wegen ihrer Affären mit Königsmarck 1694 scheiden lässt (die „Prinzessin von Ahlden“).

1684 heiratet Sophies Tochter, Sophie Charlotte, den Sohn des Großen Kurfürsten, den Erbprinzen Friedrich von Brandenburg (1657-1713), der 1688 Kurfürst wird. 

1689 wird am 30. Januar die neu erbaute Oper im Leineschloss mit „Enrico Leone“ von Agostino Steffani (1653-1728) eröffnet.

1692 wird der Herzog Ernst August zum Kurfürsten gewählt, seine Frau wird die Kurfürstin von Hannover.

1698 stirbt Ernst August. Sein ältester Sohn, Georg Ludwig, wird Kurfürst.

1701 wird der Kurfürst Friedrich von Brandenburg, der Mann von Sophie Charlotte, König von Preußen.

1705 stirbt in Hannover ihre Tochter Sophie Charlotte, Königin von Preußen.

1712 wird Sophies Urenkel in Berlin geboren, der spätere Friedrich der Große (1712-1786).

1714 am 8. Juni stirbt die Kurfürstin Sophie in ihrem Garten in Herrenhausen.

1714 Anfang August stirbt Queen Anne von England.

1714 am 12. August wird der Kurfürst Georg Ludwig als Georg I. König von England und begründet damit die Personal-Union England-Hannover.

1837 endet die Personal-Union England-Hannover.

Die Kurfürstin Sophie war eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die das Herzogtum Hannover um 1700 zu einem geistigen Mittelpunkt gemacht hat. Sie war mehrsprachig aufgewachsen, war gebildet, hatte Humor und als Frau einen für ihre Zeit ungewöhnlich scharfen Verstand. Sie hat immer viel gelesen und war stets über neue Literatur informiert. Sie war protestantisch, aber allen Religionen gegenüber tolerant und bemüht, die Kirchen wieder zu vereinigen.

Mit ihrer sicheren inneren Haltung konnte sie repräsentieren und hat ihren Mann, den Kurfürsten, darin sehr unterstützt. Sie hat sechs Söhne und eine Tochter gehabt, von denen nur drei Söhne sie überlebt haben. Sie war ihren Kindern eine gute Mutter und überwachte deren Erziehung, die ihr sehr wichtig war. Der Tod ihrer Kinder hat sie jedes Mal schwer getroffen, besonders als ihre Tochter in Hannover starb.

Sie selbst war gesund und schlank, konnte bis zu ihrem Tod ohne Brille lesen und war nicht eitel. Auf Perücken legte sie zwar Wert und war interessiert an der Mode aus Paris, worüber sie mit ihrer geliebten Nichte, Liselotte von der Pfalz, korrespondierte; denn sie wollte modisch angepasst sein bei den zahlreichen festlichen Veranstaltungen und brauchte daher auch viel Schmuck zur Repräsentation. Später hat sie sehr gern Schwarz getragen.

Sie hat mit ihren Hofdamen auch weibliche Tätigkeiten ausgeübt, z.B. hat sie aus-ser Möbelbezügen 1691 einen Altarbehang für das Kloster Loccum gestickt, mit ihrem Wahlspruch, der ihr Leben bestimmt hat:

NON BONA NISI QUAE MODESTA“ 

(Nichts ist gut, was nicht bescheiden ist)

Sophie hatte zu vielen Menschen Kontakt, vor allem durch ihre zahlreichen Briefe, oft in französischer Sprache mit geschicktem Stil. Sie gab oft Hoffeste und Empfänge, an denen sie gestaltend Anteil hatte.

Viele Reisen mit großen Unbequemlichkeiten auf den damaligen Stras-sen hat sie gemacht, zu Verwandten, in andere Städte und eine lange Reise nach Italien. Von diesen Reisen brachte sie ihre große Begeisterung für Gärten mit; sie kannte die holländische Gartenkunst, den Heidelberger Schlossgarten, französische Gärten, Versailles und vor allem die italienischen Gärten mit den vielen Wasserspielen, die sie sehr beeindruckt haben. Als Ehefrau hat sie in verschiedenen Schlössern gewohnt und in Osnabrück bei dem für ihre Familie neu erbauten Schloss für einen großen Garten gesorgt. Ihr letzter Umzug war in das alte Schloss in Hannover in der Altstadt ohne Garten.

Als dann das Schloss in Herrenhausen zur Sommerresidenz ausgebaut wurde, holte sie Fachleute für die Gestaltung des Großen Gartens, Archi-tekten für Tempel und Gewächshäuser, Bildhauer für den Figurenschmuck, einen Fontainier für die Wasserspiele, einen Grottier für die Grotten und vor allem die französischen Gärtner Henri Perronet und Martin Charbonnier, der schon den Garten in Osnabrück angelegt hatte. Sophie hat selbst entscheidend zur Vervollkommnung ihres Galeriegebäudes als Orangerie für die vielen exotischen Pflanzen beigetragen, das von ihr zum Festsaal bestimmt war. Sie ließ den Königsbusch 
und das Gartentheater 1689-1693 anlegen und dort die Komödien von Molière aufführen. Auch der Berggarten, als Küchengarten gebraucht, wurde von ihr für die fremdländischen Gewächse bestimmt und ein Teil davon für das botanische Studium reserviert. Die Kurfürstin hatte den Großen Garten sehr bewusst zur Repräsentation angelegt. Sie hatte oft Gäste und empfing sie meistens in Herrenhausen in ihren Wohnzimmern im Galeriegebäude, von wo sie ihren Garten gut überblicken konnte. Das Leineschloss in der Stadt Hannover war zwar umgebaut worden und hatte 1689 ein großes Opernhaus erhalten, aber sie konnte stolz sagen: „Le jardin de Herrenhausen, qui est ma vie.“

Auch noch als Kurfürstin-Witwe veranstaltete sie Hoffeste, besuchte Opern, Ballette, Theater. So war Zar Peter der Große aus Russland einige Male zu Besuch in Herrenhausen. Mit ihm eröffnete die tanzfreudige Sophie 1713, ein Jahr vor ihrem Tod, in einer Polonaise ein Fest in der Galerie.

Georg Friedrich Händel (1685-1759) war schon 1703 auf der Durchreise in Herrenhausen und wurde dann 1710, von Agostino Steffani empfohlen, kurfürstlich-hannoverscher Hofkapellmeister. Er komponierte hier zwar keine Opern für das neue Opernhaus, aber Oboenkonzerte und Kammerduette für Konzerte in der Galerie und Bläserstücke zur Repräsentation im Freien (1711). Als Georg I. König von England wurde, holte er Händel zu sich nach London. Sophie hat seine Musik sehr gern gehört, denn sie war musikalisch, in der Jugend selbst ausübend mit Lautenspiel und Gesang.

Aber auch an Gemälden hatte sie viel Freude. 1708 besaß sie über 780 Gemälde im Leineschloss und in Herrenhausen, oft aus Erbschaften. Auf Reisen betrachtete sie gern Gemälde, besonders von Tizian und van Dyck. Die Plastiken der damaligen Zeit standen zumeist in den Gärten als Schmuck. Sophie hat sie wiederholt für ihren Großen Garten anfertigen lassen.

Die Kurfürstin mit ihren vielseitigen geistigen Interessen hat oft versucht, Persönlichkeiten an ihren Hof zu holen. Sie hatte den französischen Dichter Jean Baptiste Molière (1622-1673) früh persönlich kennen gelernt, wohl in Heidelberg, und schätzte in seinen Stücken seine Menschenkenntnis, seinen Kampf gegen Unnatur in der Sprache, seine satirischen und ironischen Bemerkungen. Und er lobte ihre geistvolle Klugheit, ihren Scharfblick und ihre „deutsche Direktheit“. Es gab einen reichen Briefwechsel, sie hätte ihn gern nach Hannover geholt, aber er starb schon 1673.

Die wichtigste Persönlichkeit in ihrem Leben jedoch wurde der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), den sie 1680 an ihren Hof berufen hatte. Er wurde Freund und Lehrer und beriet sie in all ihren Planungen, in der kurfürstlichen Politik, in der es besonders um die Verheiratung ihrer Kinder und Verwandten ging, in praktischen Fragen wie in der Einrichtung ihrer Schlösser und Zimmer, in der Gestaltung des Großen Gartens, wo Leibniz die Schöpfradanlage für die Große Fontäne konstruiert hat.

Aber am wesentlichsten waren die geistigen Dispute, oft im Garten von Herren-hausen geführt, wo Sophie bewies, dass sie seinen philosophischen Gedanken-gängen folgen konnte. Viele Briefe von beiden Seiten ergänzten diesen Austausch. Die Königin von Preußen, Sophie Charlotte, die sich als Schülerin von Leibniz bezeichnete, holte ihn 1700 nach Berlin, damit er sie bei der Gründung der Akademie der Wissenschaften beriet.

Leibniz hat in Hannover im so genannten Leibnizhaus an der Schmiedestraße gewohnt und wurde 1716 in der Neustädter Kirche begraben.

In der Sophienschule weisen zwei Gemälde auf Sophie und Leibniz hin: das große Bild (1898) von Georg Dieckmann, das Sophie mit ihrer Tochter Sophie Charlotte und ihrem Hofstaat im Gespräch mit Leibniz auf einer Terrasse in Herrenhausen zeigt, und das kleinere, die drei Personen im Raum, 1900 der Schule von Maler Laves geschenkt.

Die Kurfürstin war eine Persönlichkeit, die in ihrer menschlichen und geistigen Haltung und mit ihren vielseitigen Interessen ein Vorbild gewesen ist. Sie besaß eine Ausstrahlung, die bis in ihr hohes Alter wirkte.

Leibniz würdigte sie in einem Kondolenzbrief mit den Worten (in der Übersetzung):

 „Es war der Tod, den sie sich gewünscht hatte.
 Es ist nicht sie, es ist Hannover, es ist England,
 es ist die Welt, – ich bin es, der sie verloren hat.“

Karla Asbahr

 

 

.© 2002 Sophienschule Hannover