DREI GENERATIONEN SOPHIENSCHÜLERINNEN 
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Drei Generationen Sophienschülerinnen
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Mein Name ist Katherine Ossenkopp. Ich habe im Mai 1999 an der Sophienschule mein Abitur bestanden, und ich unterscheide mich dadurch von anderen ehemaligen Sophienschülern, dass nicht nur alle meine Geschwister Sophienschüler waren, sondern auch meine Mutter und meine Großmutter zu dieser Schule gingen.

Ich habe also den direkten Vergleich, was sich im Laufe des Jahrhunderts an meiner ehemaligen Schule verändert hat.

Meiner Mutter und besonders meiner Großmutter ist es sehr schwer gefallen, sich an die Schulzeit zu erinnern, woraus ich folgere, dass die Schule im Laufe des Lebens an Wichtigkeit verliert.

Für mich hat die Sophienschule noch nicht an Bedeutung verloren, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass dies passiert, da sie einen sehr wichtigen Lebensabschnitt von mir widerspiegelt.

Meine Großmutter wohnte zu ihrer Schulzeit noch auf dem Land, und ihre Eltern wählten die Sophienschule, da diese nah am Bahnhof lag und gut mit dem Zug zu erreichen war. Außerdem war es eine standesbewusste Schule für höhere Töchter, was damals eine gute Bildung garantierte.

Ich denke, dass meine Mutter ihr aus denselben Gründen folgte. Auch sie musste mit dem Zug zur Schule fahren, und die Sophienschule war mittlerweile der Familie vertraut.

Eigentlich war es bei mir nicht notwendig, zur Sophienschule zu gehen. Ich hatte weder mit Latein als Fremdsprache begonnen und musste auf ein altsprachliches Gymnasium, noch wohnte meine Familie in der Nähe der Sophienschule. Aber als dritte Tochter in der dritten Generation wollte ich selbstverständlich meinen Schwestern folgen. Wäre ich zu einer anderen Schule gegangen, hätte ich doch gar nicht gewusst, wie die Lehrer aussahen, von denen ich so viel durch meine Schwestern und teilweise sogar noch aus der Schulzeit meiner Mutter gehört hatte. Ich fand es auch spannend, neue Freunde kennen zu lernen. Aber am wichtigsten erschien mir damals die kostenlose Üstra-Busfahrkarte, die ich nicht bekommen hätte, wenn ich zu einer anderen Schule gegangen wäre, die weniger als drei Kilometer von meinem Zuhause entfernt gewesen wäre.

Ich kann mich erinnern, dass ich diese Karte später nie benutzt habe, da ich immer in letzter Minute mit meinen Schwestern mit dem Fahrrad zur Schule gefahren bin. 

Wenn ich das aber mit dem Schulweg meiner Mutter und Großmutter als Fahrschüler vergleiche, so hatte ich es doch relativ einfach.

Meine Großmutter musste schon um 6.42 Uhr  mit dem Zug losfahren und war fast eine Stunde vor Unterrichtsbeginn da. Wie bei meiner Mutter gab es nur wenige Fahrschüler. Bei meiner Großmutter mussten diese im Dispensiertenzimmer warten und konnten unter Aufsicht von Schulvogt Kenneke Hausaufgaben machen. Ich weiß, dass sie es immer sehr unangenehm fand, obwohl ich es mir sehr schön vorstellen könnte, mit unserm vor sich hin trällernden Hausmeister Chust im Stillarbeitsraum ein Pläuschchen zu halten.

Nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges musste meine Großmutter manchmal nachmittags bei Bombenalarm anstatt einer halben bis zu zwei Stunden auf ihren Zug warten.

Ich kann mir auch vorstellen, dass diese langen Schulwege ein maßgeblicher Grund dafür waren, dass es Freundschaften außerhalb der Schulzeit oder schulische Aktivitäten am frühen Abend für meine Mutter und Großmutter nicht so gab, wie ich sie gewohnt bin.

Die Schule bietet mittlerweile ein halbes Freizeitprogramm an, so dass die Schüler ihre Freundschaften auch nachmittags durch Arbeitsgemeinschaften stärken können.

Zu Zeiten meiner Großmutter war der Lehrer an der Sophienschule noch eine ehr-furchtsvolle Autoritätsperson. Er lehrte von einem Katheder aus, so dass die in Reih und Glied sitzenden Mädchen angstvoll nach oben schauen mussten. Zwar gab es für Schülerinnen keine Bestrafung mit dem Rohrstock, aber selbst noch bei meiner Mutter genügten drei Tadel im Klassenbuch, um von der Schule zu fliegen. Diese bekam man bereits, wenn man sich dem Lehrer widersetzte oder den Unterricht störte.

Ungerechtigkeiten und Bevorzugungen anderer Mitschülerinnen musste meine Großmutter 1935 akzeptieren, während man in den 60er Jahren anscheinend schon wagte, sich für seine Freunde einzusetzen. Letzten Endes hatte aber der Lehrer das Machtwort. Jeder Schüler war darauf bedacht, wenigstens im Betragen eine gute Note zu bekommen. Noten wurden nicht vorher bekannt gegeben, und somit war eine Diskussion um eine bessere Note ausgeschlossen.

Für meine Schulzeit ist dies alles unvorstellbar. Natürlich entscheidet der Lehrer immer noch über das Wohl der Schüler, aber er müsste sich mittlerweile schweren Herzens daran gewöhnt haben, dass der pubertierende Schüler frech und aufmüpfig ist, um sich im Klassenverband einen ehrenvollen Namen zu verschaffen. Bei Notengebungen probiert jeder Schüler durch taktisch kluge Argumentation entweder seine oder die Note seines Freundes zu verbessern.

Erst in der Oberstufe haben wir erkannt, dass der Lehrer ein Mensch ist, der im Grunde nur Gutes für die Schüler möchte. Der Unterricht wurde harmonischer, und des Öfteren setzte sich der Lehrer zwischen die Schüler in den Stuhlkreis, und die Schüler führten den Unterricht.

Wir Schüler haben mittlerweile viel mehr Rechte und können der Autorität des Lehrers viel mehr entgegensetzen, nicht immer zur Freude der Lehrer. Dies hat aber auch zu einer offeneren Atmosphäre im Unterricht geführt und damit das 
Lernen erleichtert.

Während meine Mutter und meine Großmutter jeden Montagmorgen in der ersten Stunde zur Andacht mussten, sitzen heute die Schüler in der Raucherecke und trinken Kaffee, um wach zu werden.

Auch der Landheimaufenthalt hat sich im Laufe der Zeit verändert. Der verwöhnte Schüler von heute ist spätestens nach zwei Aufenthalten in Hambühren gelangweilt. Dabei weiß er gar nicht, wie viel schlimmer es uns in den 60er Jahren hätte treffen können. Erstmal waren es sieben Tage, die man im Landheim verbrachte. Vormittags wurde unterrichtet, natürlich auch häkeln und stricken, da es eine reine Mädchenschule war. Mittags herrschte strenge Ruhe. Allein durfte man nicht das Gelände verlassen, und sobald ein männlicher Dorfbewohner auftauchte, wurden die Mädchen eingeschlossen.

Und heute regen wir Schüler uns darüber auf, dass es nur einen großen Supermarkt in Hambühren gibt.

Trotz der unterschiedlichen Erziehungsmethoden sind wir alle ähnlich geprägt worden und erinnern uns gerne an unsere Schulzeit in der Sophienschule zurück, so dass Aussicht besteht, dass auch eine vierte Generation die Schule besuchen wird.

Katherine Ossenkopp, Hilde Ossenkopp-Quensell, 
Hilde Quensell geb. Pflugmacher

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