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Herzlich
willkommen in der Sophienschule! 100 Jahre, so viele Jahre hat diese Schule
nun schon auf ihrem Buckel. Sieht man ihr gar nicht an, was? Ja, dieser
Ein-gangsbereich ist auch erst vor gar nicht all zu langer Zeit entstanden,
diese frischen, gelben Wände und die Säulen da vorne an der Treppe.
Sieht schon sehr prunkvoll aus, nicht wahr?“
– „Können
wir das einmal näher ansehen?“
– „Oh,
ich befürchte, dass wir besser nicht zu nah gehen sollten.“
– „Warum
nicht?“
– „Nun
ich ... ach, was soll’s. Haben Sie Lust, sich auf eine kleine
Entdeckungs-reise zu begeben?“
(allgemeines zustimmendes Gemurmel)
– „Na
gut. Kommen Sie doch einmal alle mit. Hier, die Treppen hinauf, bis ganz
nach oben. Tja, er lässt hier schon etwas nach, der Glanz, nicht wahr?
Ja ja.
So. Da sind wir.“
–
„Ich habe Druck auf den Ohren.“
–
„Das macht der Höhenunterschied, Junge. Dies sind also nun die obersten
Klassenräume der Sophienschule. Wie Sie vielleicht bemerkt haben,
sieht es
hier nicht mehr so aus wie da unten. Hier kommt auch außer Lehrern
und
Schüler kaum jemand hin.“
–
„Warum zeigen Sie uns das?“
–
„Nun, es gibt einfach etwas hinter diesen Fassaden, das nicht so wunderschön
ist, wie unser Eingangsbereich es erscheinen lässt.“
– „Was
soll das heißen?!“ (der Mann ist empört)
–
„Schauen Sie sich doch einmal um. Es gibt hier und da einige Stellen, an
denen
der Putz herunter kommt. Hier und da. Man braucht bloß genauer hinzuschauen
oder sogar zu hören ... Soll ich für Sie mal etwas nachbohren?“
– „Also,
ich weiß wirklich nicht, ob ich mir das hier antun muss ...“
(die Frau fummelt nervös)
– „Hier.
An dieser Stelle ist es sehr bröckelig. Was haben wir denn dahinter
... oh,
der Staub des Schweigens liegt noch darauf, was? (pust!) Was haben wir
denn
hier? Eine Flasche. Eine Alkohol-Flasche!“
(ertapptes Zischen ...)
–
„Haha, ohje! Da haben wir aber einen guten Fund gemacht. Sie wissen, was
es
damit auf sich hat? Nein, natürlich nicht. Nicht wirklich. Diese arme
Flasche ist
das Opfer von übermütigen bis dummen Schülern, die sich
wiederholt auf
Landheimen oder SV-Treffen mehr als nur den fehlenden Sinn antranken. Und
das ging wirklich recht weit, glauben Sie mir. Ich will den armen Kleinen
ja nicht
ihren Spaß nehmen. Wer nichts anderes kann oder für möglich
hält, als sich zu
besaufen, der soll‘s ruhig machen, mich kümmert‘s nicht. Nur, hätte
man nicht
von Schülern, die sich selbst als so reif, klug und erwachsen bezeichnen
und
darstellen, nicht erwarten können, dass sie einsehen, wo Grenzen sind?
– Ha,
verstehen Sie mich jetzt nicht falsch! Ich wäre der Letzte, der Ihnen
hier
stinkkonservative Grenzen vordiktieren wollte, Gott bewahre. Das tun andere
leider schon viel zu viel. Aber hier sind es einfach Grenzen, die die Vernunft
gebietet. Es ist schlichtweg nicht mehr als dumm und völlig sinnlos,
sich auf
Schulveranstaltungen dermaßen zu betrinken. Nicht wahr?“
(Stille, dann schüchtern:)
– „Darf
ich ein Foto machen?“
–
„Oh, nein! Das nicht! Niemals! – Also gut, von mir aus schon ...“
(klick!)
–
„Aber lassen Sie das die Schulleitung nicht bemerken. Man hat es nämlich
nicht gerne, wenn so etwas zu laut ausgesprochen wird. Man fürchtet
stets,
dem Ruf der Schule könne geschadet werden. Naja, ich habe schon oft
von der
Sophienschule als ‚Spießerschule‘ gehört, also waren die Versuche
wohl nicht
so ganz erfolgreich.
– Nein,
nein, hier wird viel vertuscht und leise unter dem Tisch gehandelt. Ist
ja
auch klar, oder? Ich meine, sehen Sie sich doch auf dieser Schule mal um.
Wer
ist hier hauptsächlich? Leute mit nicht gerade ‚schlechtem‘ Einkommen,
um es
mal so auszudrücken. Da kommen Spenden her, da freut man sich. Und
diese
Leute würde man ja doch vergraulen, wenn man öffentlich zeigen
würde, wie sich
die Kinder dieser Leute von Zeit zu Zeit verhalten.“
(jemand geht)
– „Ach,
ich sehe schon, ich werde wieder etwas zu allgemein. Aber sagen Sie, ist
es denn zu viel verlangt, von diesen Schülern, der nächsten Generation,
zu
erwarten, dass sie Einsatz zeigen und diese Welt und ihre Werte verändern
wollen? Anscheinend schon, denn hier geht nichts mehr, meine Damen und
Herren. Hier sitzen die kleinen Erwachsenen mit ihren Handys und wollen
die
große ‚Karriere‘ machen: Hauptsache sie und Hauptsache Geld.
–
Aber Verzeihung, wir waren hier bei der Sophie. Wie konnte ich nur auf
dieses
Thema kommen? Egal. Wie wir hier sehen, ist die Sophienschule nicht das,
was sie immer vorgibt zu sein. Die ‚saubere‘ Schule, an der nichts geschieht
(was ja auch in gewisser Weise stimmt), an der es zum Beispiel keine Drogen
gibt.“
(vereinzeltes Gekicher ...)
–
„Ich sehe, einige wissen schon Bescheid. Auch Gewalt gibt es hier nicht.
Nein.
Hier sitzen nur die liebsten Wesen im Unterricht. Das ist barer Unfug!“
–
„Nun ist aber mal gut, mein Herr! Sie machen hier Vorwürfe, die Sie
jeder
anderen Schule ebenso machen könnten!“
– „Aber
ja! Genau das ist es doch! Deshalb sind wir hier oben, und nicht dort
unten, wo alles glänzt und schön ist, wo die Musik spielt,
wo die Reden
gehalten werden! Das will ich Ihnen doch nur sagen: Die Sophie ist nichts
Besonderes. Sie ist nicht das, wofür sie sich hält. Sie ist eine
Schule, wie jede
andere auch, mit Höhen und Tiefen.
– Aber
das wird viel zu oft vergessen. Man ist so fixiert darauf, so besonders
zu
sein, dass man nicht mehr vernünftig und klug mit Problemen umgeht.
Und das
ist der Fehler dieser Schule, wissen Sie? Sie wahrt einen Schein, der keine
Substanz hat. Hier bröckelt es an so vielen Enden, und man kann eben
nicht
einfach nur Putz darauf schmieren und den Blick umlenken.“
–
„Na gut, vielleicht haben Sie ja Recht ...“
(sollte hier Mut aufkeimen?)
–
„... aber heute soll doch gefeiert werden.“
–
„Aber ich bitte Sie. Da machen Sie doch genau das Spiel mit. So schön
ist
heute alles, und viele viele Eltern werden im Festrausch ihre Kinder auf
diese
gefeierte Schule schicken, so wie man es sich vorgestellt hat. Aber wo
ist der
Dreck heute? Ist er plötzlich aus der Welt? Oder ist er nur von Zeit
zu Zeit
etwas unangenehm? Ich bin auf niemanden böse. Ich will niemanden für
irgendetwas bestrafen, glauben Sie mir. Es ist einfach nur mein Interesse
an
dieser Zeit und auch an dieser Schule. Denn hier sind wir nun mal. An der
Sophie, nicht wahr?“
(Stille. Vielleicht hier und da Applaus.)
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