VON HOMER ZUM INTERNET 
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Von Homer zum Internet
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Altsprachlicher Unterricht
in der Sophienschule
 
 









 


 
 
 


 
 


 


 
 
 
 
 
 


 
 
 
 
 
 


 
 
 
 
 
 
Der Titel klingt etwas gewagt, ist aber nicht nur durch die faktische Nutzung des Arbeitsmittels Computer durch Lehrer und Schüler der Alten Sprachen gerechtfertigt, sondern hat eine noch grundsätzlichere Berechtigung: Die Formali-sierung von Informationen und die Strukturierung ihrer gedanklichen Verarbeitung ist gerade einer der Beiträge des antiken Griechentums zur abendländischen und auch noch modernen Kultur. An erster Stelle ist natürlich Aristoteles zu nennen, der im 4. Jahrhundert vor Christus die formale Logik entwickelt hat, die noch heute jeder automatischen Informationsverarbeitung zu Grunde liegt. Am Anfang der abendländischen Literatur aber lässt im 8. Jahrhundert bereits Homer den Techniker schlechthin, Hephaistos, schon Automaten mit künstlicher Intelligenz entwickeln als Hilfsmittel für die Menschen bzw. die Götter.

Die Entstehung der Sophienschule fällt in die Zeit der im Wesentlichen unangefoch-tenen Geltung des Humboldt’schen Bildungsideals, in dem die Alten Sprachen den gymnasialen Anspruch schlechthin verkörperten. Der Zielsetzung der Schule, einer vollwertigen gymnasialen Frauenbildung, entsprechend wurden auch bald die Alten Sprachen in den Bildungsgang der Sophienschule einbezogen: Die für 1905 belegte2 Erweiterung zur „Realgymnasialen Studienanstalt“ bedeutet, dass Latein Bestandteil der Abiturprüfung wurde. Nach dem 1. Weltkrieg erhielt die Sophienschule einen „Gymnasialen Zweig“ (also mit den Pflichtfremdsprachen Latein und Griechisch), der 1935 sein erstes Abitur ablegte.

Bereits 1936 wurde dieser Zweig dann wieder aufgelöst, da die Nationalsozialisten eine altsprachliche Bildung für Mädchen für überflüssig hielten. Allerdings lag der altsprachliche Unterricht ohnehin nicht im Interesse der NS-Bildungspolitiker: In der ganzen Provinz Hannover ließ man acht altsprachliche Gymnasien bestehen; die Stundenzahl der alten Sprachen wurde aber drastisch gekürzt.3 Diese Aversion gegen die Inhalte insbesondere des Griechischunterrichts ist folgerichtig: Sokrates, der griechische Philosoph schlechthin, musste zwangsläufig gerade mit dem Kern seines Anliegens nicht nur in Konflikt mit seinen zeitgenössischen Potentaten geraten, sondern mit jedem anderen Regime, das Menschen mit Leib und Seele vereinnahmen will. Seine Forderung (lógon didònai = Rechenschaft ablegen) ist die individuelle Verantwortung eines jeden vor der Instanz des eigenen Gewissens - die kann durch keinen Führerbefehl, keinen Parteibeschluss, nicht einmal durch demokratische Mehrheitsentscheidung ersetzt werden.

Ein besonderes Anliegen der Direktorin E. Bernecker beim Wiederaufbau der Schule nach dem Kriege war folglich die Wiedereinführung des humanistischen Zweiges. Dieser legte 1957 erstmals wieder das Abitur mit dem Kernfach Griechisch ab. In diese Zeit (etwa 1960-1970) fällt dann ein Schüleraustausch mit dem Deutschen Gymnasium Athen. Seit 1969 konnte Latein auch als erste Fremdsprache in Klasse 5 gewählt werden.

Zwei Reformen veränderten die Situation grundlegend:

–  Im Jahr 1978 wurde letztmalig das Abitur im Klassenverband abgelegt; es folgte 
    das Kurssystem der „reformierten Oberstufe“. Für die Alten Sprachen bedeutete 
    das, dass es nun keine Klassen mehr gab, in denen automatisch Latein und 
    Griechisch Prüfungsfächer im Abitur waren.

–  Mit Einführung der Orientierungsstufe hat die Schule zwar die Klassen 5 und 6
    verloren; durch Zusammenarbeit mit der Orientierungsstufe Lüerstraße, in der 
    Latein als erste Fremdsprache in Klasse 5 angeboten wird, ist der Zweig mit 
    grundständigem Latein im Rahmen des Angebots ab Klasse 7 aber für die 
    Sophienschule erhalten geblieben.

Daraus ergibt sich die gegenwärtige Struktur des altsprachlichen Unterrichts in der Sophienschule: Latein wird in drei Profilen angeboten: als 1. oder 2. Pflichtfremdsprache und als Wahlsprache ab Klasse 9. Die Entscheidung für die Pflichtfremdsprache bindet die Schüler bis Ende der 10. (und – mit Einschränkung – der 11.) Klasse. In der Kursstufe, dem 12. und 13. Jahrgang, wird Lateinunterricht in Grund- und Leistungskursen erteilt. Je nach Profil und Leistungsbewertung können damit das Kleine und Große Latinum erworben werden bzw. die einfach „Latinum“ genannte Qualifikation in der Mitte.

Im Rahmen bestimmter Vorgaben der Oberstufenverordnung können die Schüler wählen, ob sie Latein als Leistungs- oder Grundkurs betreiben oder abwählen wollen. Damit entscheiden sie faktisch, ob die Lerngruppe so groß wird, dass ein entsprechender Kurs überhaupt durchgeführt werden kann. Zur Zeit einer ausreichenden Lehrerversorgung (von Statistikern auch als „Überversorgung“ bezeichnet, als ob es zu viel Lehrer für die Schüler geben könnte) entstand daraus kein großes Problem, da auch für kleinere Lerngruppen Lehrer eingesetzt werden konnten. Schwierigkeiten gibt es erst, seit gravierender Lehrermangel die Mindestgröße der Lerngruppen nach oben schnellen lässt. Dieses Limit trifft die Fächer Latein und Französisch besonders hart, da diese beiden Fächer nicht der ganze Jahrgang, sondern jeweils nur ein Teil in der Sekundarstufe I betrieben hat. Durch Kurskombi-nationen kann dann oft doch noch das Angebot eines Lateinkurses ermöglicht werden: Kombinierbar sind der Leistungs- und Grundkurs im gleichen Jahrgang, der Grund- bzw. Leistungskurs des 12. und 13. Jahrgangs und sogar der Unterricht in ver-schiedenen Profilen. Jede dieser Lösungen erfordert von allen Beteiligten Flexibilität und Kompromissbereitschaft und strapaziert die Belastbarkeit von Schülern und Lehrern, doch die Alternative wäre der Verzicht auf einen Lateinkurs in der Kursstufe.

Gelesen wird in der Sekundarstufe I vor allem Caesar, in der Oberstufe besonders Cicero und Seneca, außerdem oft Catull, Sallust, Plinius, Petron, Tacitus, Vergil und Horaz. Die reine Werklektüre ist aber im Kurssystem ersetzt durch themenorien-tierte Kurse, die in ihrer Folge bestimmte Gegenstandsbereiche abdecken müssen. Ein stärkeres Gewicht als früher hat heute die Interpretation, in der z.B. ein Text in seinen philosophischen, historischen oder archäologischen Hintergrund eingeordnet und aus diesem Zusammenhang verständlich gemacht wird.

Der Griechischunterricht an der Sophienschule hat eine andere Struktur als z.B. am KWR (Kaiser-Wilhelm- und Ratsgymnasium): Dort ist Griechisch ab Klasse 9 für alle verbindlich, an der Sophienschule wird Griechisch erst ab Klasse 11 als Wahlsprache angeboten. Dieses Angebot gilt den Schülern aller hannoverschen Gymnasien. Die schulübergreifend erteilten Kurse können zwangsläufig nur am Nachmittag abgehalten werden. Für alle Schüler passende Unterrichtszeiten und Klausurentermine zu finden, bereitet einigen organisatorischen Aufwand, wenn z.B. 10 Abiturienten aus 7 verschiedenen Gymnasien kommen.

Wer bis zum Abitur teilnimmt, kann durch eine schriftliche Prüfung im Rahmen des Abiturs das Graecum erwerben. Um diese Qualifikation erreichen zu können, muss der sprachliche Grundlehrgang in eineinhalb Jahren abgeschlossen sein, damit noch drei themenorientierte Kurse die für das Graecum erforderliche Originallektüre einüben können. Gelesen wird ein philosophischer Text (z.B. Platon, Politeia), ein Text mit historisch-gesellschaftlichem Schwerpunkt (z.B. Herodot), und ein Semester beschäftigt sich mit der griechischen Poesie (z.B. einer Sophokles-Tragödie). Die Vielfalt der griechischen Literatur kommt allerdings auch schon in der Lehrbuchphase zur Geltung: Mangels eines geeigneten Lehrbuchs arbeiten wir mit einer Originaltextsammlung, die wir für unsere Kurse erstellt haben.

Die Lektüre – zumal in der kurzen Zeit unserer Kurse – kann von der großen Fülle griechischen Geisteslebens nur einen kleinen Teil vermitteln. Um auch den archäologischen Zeugnissen des Griechentums zu begegnen, haben unsere Griechischkurse seit Jahren regelmäßig Studienfahrten nach Griechenland durchgeführt. Angesichts der besonderen Stellung der Griechischkurse können diese Studienfahrten allerdings nicht im Zusammenhang der Studienfahrten der Leistungskurse des 13. Jahrgangs durchgeführt werden. Wir sind stattdessen in den Osterferien gefahren und hatten, solange diese noch drei Wochen lang waren, auch die nötige Zeit für die zahlreichen archäologischen Stätten.

Bereits zweimal haben wir einen Besuch der Monumente der griechisch-römischen Antike und der byzantinischen Kultur in Griechenland mit der Besichtigung entsprechender Stätten in der Türkei kombiniert: Von Istanbul sind wir über Troja und Pergamon nach Ephesos, Milet, Didyma und Priene gefahren, sind dann nach Samos übergesetzt und haben von dort aus eine Rundreise durch die klassischen Stätten Griechenlands angeschlossen (Athen, Argolis, Sparta, Olympia, Delphi). Diese Kombi-nation hat sich als sehr lohnend erwiesen: Eine antike Stadtanlage wie Ephesos oder Priene ist hinsichtlich der Ausdehnung und Erhaltung in Griechenland nicht zu finden, die ionischen Großtempel z.B. in Didyma stehen im aufschlussreichen Kontrast zum Maß der Tempel dorischer Ordnung in Griechenland, und nirgendwo kann das Bildprogramm einer byzantinischen Kirche so gut und in so hoher Qualität betrachtet werden wie in der Chora-Kirche zu Konstantinopel – sofern sie offen ist. 5

Sinnvoll ist es natürlich auch, die drei Wochen ganz in Griechenland zu verbringen. Dann lassen sich mit der klassischen Rundreise auch ein paar Tage auf Kreta, ein Besuch der Felsenklöster von Meteora und Thessaloniki mit seinem sehr sehenswerten Museum verbinden.

Traurig stimmt nur, dass der Lehrermangel die Fortführung der Griechischkurse an der Sophienschule ernsthaft gefährdet.

Doch was hat das alles mit dem Internet zu tun? – Der Computer ist inzwischen auch für den Altphilologen unersetzliches Arbeitsmittel, zumal mit den heutigen Druckern auch griechische Texte einwandfrei geschrieben werden können. So lassen sich Übungsmaterialien komfortabel erstellen, speichern, zu einem späteren Zeitpunkt für die jeweilige Lerngruppe passend abändern usw. Vokabeln kann man in einer Datenbank speichern, ebenso Bildmaterial und Informationen über Texte. Griechische und lateinische Texte sind inzwischen auf CD ROM zugänglich, so dass Zitate, Parallelstellen usw. leicht ermittelt werden können.

Eine große Fülle literarischer und archäologischer Informationen bietet dann das Internet. Alle anderen Medien übertrifft das Netz durch die Möglichkeit der ständigen Aktualisierung: Nur im Internet kann man noch am Tage der Abreise zu einer Studienfahrt neueste Informationen über Öffnungszeiten usw. bekommen – sofern die Verantwortlichen ihre Daten im Netz auch wirklich aktualisieren.

Allein schon wegen der ständig neu dazukommenden Angebote ist eine systematische oder gar vollständige Darstellung kaum möglich. Ich schließe deswegen mit der exemplarischen Vorstellung einiger für den altsprachlichen Unterricht aufschluss-reicher Adressen:

Classics
Perseus Project Home Page 
http://medusa.perseus.tufts.edu/ 
The Internet Classics Archive: 441 searchable works of classical literature http://classics.mit.edu/index.html 
The Classics Pages: Start Page 
http://www.users.globalnet.co.uk/~loxias/ 
Deutsche Datenquellen: Klassische Philologie 
http://www.phil.uni-erlangen.de/~p2latein/vl/vlkpdt.html 
Links to Classical Material 
http://www.vuw.ac.nz/classics/links.html 

Lateinische Literatur / Sprache
About the Patrologia Latina Database 
http://www.hti.umich.edu/latin/pld/about.html 
Latein-Forum 
http://www.lateinforum.de/ 
Latin Grammar  
http://www.perseus.tufts.edu/cgi-bin/text?lookup=ag+gram.+toc 
Marcus Tullius Cicero 
http://www.utexas.edu/depts/classics/documents/Cic.html 

Griechische Literatur / Sprache
Thesaurus linguae Graecae 
http://www.tlg.uci.edu/~tlg/ 

Informationen über archäologische Stätten, Museen, Öffnungszeiten usw.
CULTURAL MAP OF HELLAS 
http://www.culture.gr/2/21/maps/hellas.html 
Museums, Monuments and Archaeological Sites of Hellas 
http://www.culture.gr/2/21/toc/index.html 
Greek – Hellenic Museums Page 
http://www.greekcivil.ariadne-t.gr/HELLENIC_CIVILIZATION/Museums/
 Museums.html 
Indice 
http://www.comune.roma.it/index.htm 
Monumenti 
http://www.roma2000.it/monum2.html 
Soprintendenza Archeologica di Roma 
http://www.archeorm.arti.beniculturali.it/musei/default.html 
British Museum home page 
http://www.british-museum.ac.uk/ 
Musei Vaticani 
http://www.christusrex.org/www1/vaticano/0-Musei.html
Empfehlung: Abbildungen vieler Exponate 
WWW Virtual Library: Museums around the world 
http://www.icom.org/vlmp/world.html#Greece 
Deutsches Historisches Museum, German Historical Museum 
http://www.dhm.de/ 

Archäologie
UFG Tuebingen – Archaeologie im Internet 
http://www.uni-tuebingen.de/uni/afj/internet.html 
ArchNet – WWW Virtual Library – Archaeology 
http://archnet.uconn.edu/ 
Ein multimediales archäologisches Museum 
http://www.bauwesen.uni-dortmund.de/forschung/xanten/ 

Archäologie: Griechenland
Greece: Classical Greece 
http://www.hri.org/nodes/grclas.html 
Archaeological Resource Guide for Europe – Greece 
http://odur.let.rug.nl/arge/Countries/GR.html 
The Parthenon Marbles 
http://www.damon.gr/marbles/ 
American School of Classical Studies at Athens 
http://www.ascsa.org/ 
HELLAS:NET (exploration of ancient Greece) 
http://monolith.student.utwente.nl/~marsares/ 

Archäologie: römisch
Kalkriese-Projekt 
http://www.geschichte.Uni-Osnabrueck.DE/projekt/start.html 
Deutsches Archäologisches Institut – DAI 
http://www.dainst.de/abt/rom.html 
Die Rom-Seite  
http://www.phil.uni-erlangen.de/~p2latein/ressourc/roma.html 

Byzantinistik / christliche Archäologie
Hagia Sophia (The Ecumenical Patriarchate of Constantinople) 
http://www.patriarchate.org/HAGIA_SOPHIA/ 
DIE CHRISTLICHEN KATAKOMBEN VON ROM  
http://www.catacombe.roma.it/indice_td.html 

Bibliotheken
Universitätsbibliothek Tübingen 
http://www.uni-tuebingen.de/uni/qub/ 
The British Library 
http://portico.bl.uk/ 
HBZ Deutsche Bibliotheken Online 
http://www.hbz-nrw.de/hbz/germlst/ 
Die Deutsche Bibliothek 
http://www.ddb.de/online/index.htm 
Niedersächsische Landesbibliothek 
http://www.nlb-hannover.de/ 
UK Higher Education and Research Libraries 
http://www.ex.ac.uk/~ijtilsed/lib/uklibs.html 
Library of Congress Home Page 
http://lcweb.loc.gov/ 
The World-Wide Web Virtual Library: Literature 
http://sunsite.unc.edu/ibic/guide.html 

Bibliographien
Buch+medien Online – Buchhandel im Internet 
http://www.buchhandel.de/ 
The Greek site for Books – By ELEA Ltd. 
http://plato.elea.gr/ 

Dirk Meyerhoff



„Unter den Armen ihres Herrn (des gehbehinderten Hephaistos) bewegten sich 
   goldene Dienerinnen, die lebenden Mädchen glichen. Die haben drinnen in 
   ihrem Herzen Verstand, auch Stimme und Kraft, und von den unsterblichen 
   Göttern her kennen sie die Werke. Die also schnauften unter der Last ihres 
   Herrn“ (Ilias 417-421).
   Kurz vorher stellt Homer eine andere Erfindung des Hephaistos vor, die wir uns 
   eigentlich erst seit dem 20. Jahrhundert vorstellen können: „Er hatte alles in 
   allem zwanzig Dreifüße in Arbeit...“; goldene Räder montierte er unten an jeden 
   Fuß, damit sie von selbst in den Versammlungssaal der Götter hinreinrollten 
   und wieder in sein Haus zurückkehrten, eine wunderbare Sehenswürdigkeit“ 
   (Ilias   373-377).

2  Ich beziehe mich auf die von Karla Asbahr im 1. Sophienjahrbuch 1989 (S.8 ff.) 
   vorgelegte Chronik.

Albert Marx, Geschichte des Ratsgymnasiums Hannover 1267-1992, Hannover 
   1992, S. 162 ff.

S. den Bericht von Wilhelm Koch im 1. Sophienjahrbuch 1989, S. 175 ff.

5  1999 mußten wir feststellen, dass sie ohne jede Ankündigung (selbst im 
    Internet) plötzlich am Mittwoch geschlossen war.

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