SCHÜLERAUSTAUSCH MIT FRANKREICH 
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Hannover - Rouen
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Der Schüleraustausch mit Frankreich Seit 1986 gibt es den Schüleraustausch der Sophienschule mit der Partnerschule „Institution Join-Lambert“ in Rouen, einer der beiden französischen Partnerstädte Hannovers. Die „Institution Join-Lambert“ ist eine katholische Privatschule im Zentrum von Rouen, die sich in den letzten Jahren von einer Schule „alten Typs“ (Gebäude aus dem 19. Jahrhundert mit großem Schulhof, der auch als Sportplatz genutzt wird) zu einer modernen Schule mit Informationszentrum entwickelt hat.

Teilnehmer des Austauschs sind Schüler der 10. Klassen, die Französisch als zweite oder dritte Fremdsprache lernen. Sie besuchen in der Partnerschule den normalen Unterricht und für sie eigens organisierten Projektunterricht, etwa Übungen zur Umgangssprache, eine Einführung in das moderne Chanson, eine Sportveranstaltung, ferner Informationen über die Stadt und die Region. Hinzu kommen eine Stadtführung, ein ganztägiger Ausflug und ein Abschiedsabend. In Frankreich führt der ganztätige Ausflug meist das Seinetal abwärts, an besonders schönen Kirchen oder Klöstern vorbei und über das Künstlerdorf Honfleur bis an die normannische Küste, die übrigens auch im Winter wunderschön ist. Unsere Ausflugsprogramme in Niedersachsen variieren zwischen Harz mit Bergwerksbesichtigung und Schneewanderung, Hamburg, Bremen oder anderen Zielen, je nach der Jahreszeit. Der Abschiedsabend findet seit Jahren im Landheim in Hambühren statt und wird mit einem vorausgehenden Besuch von Celle verknüpft.

Zunächst wurde der Austausch vierwöchig durchgeführt: zwei Wochen in Rouen und zwei Wochen in Hannover, jeweils mit sehr intensivem Programm. Inzwischen mußte er auf insgesamt 18 Tage reduziert werden, da mit dem Rückgang der Zahl der Kollegen nicht genügend Begleiter zur Verfügung stehen und sich die Belastung des Schulalltags in beiden Schulen als zu groß herausstellte. Dennoch: Die Idee des Austauschs (jedes Austauschs) bleibt erhalten, insbesondere der in den meisten Fällen erste Kontakt mit dem anderen Land, mit den Gastfamilien und dem dortigen Schulleben. Denn wenn auch sehr viele Jugendliche schon mit Eltern oder allein im Ausland gewesen sind, so ist dies nicht vergleichbar mit dem Aufenthalt in einer Familie, wo man sich als Mensch mit seinen unvollständigen Fremdsprachenkenntnissen behaupten muß. In einer durchaus nicht geringen Zahl hat dieser Kontakt zu längerfristigen Freundschaften der Teilnehmer, manchmal auch der Familien geführt.

Interessant für uns ist immer wieder, in welcher Rangordnung die Jugendlichen dieses Alters die vor ihnen liegenden Probleme sehen: Wie komme ich in der Familie zurecht? Wie verhalte ich mich beim Essen? Wie erreiche ich meine „kleinen Freiheiten“ bei den Gasteltern? Wie wird sich mein Austauschpartner bei uns zu Hause fühlen? Wie kommen wir über drei Sätze Konversation hinaus? Natürlich gibt es auch immer wieder die weniger idealen Fälle, bei denen Schüler keinen eigentlichen Kontakt zur Familie aufbauen können, etwa weil die Eltern wenig zu Hause sind, weil zwischen den Partnern keine Sympathie besteht oder weil sich innerhalb einer Gruppe interne Grüppchen bilden, die sich auch während des Austauschs nur um sich selbst und nicht um ihre Austauschpartner kümmern. Nicht selten werden auch von einzelnen Schülern unrealistische Ansprüche an die Gastfamilien gestellt, die zu Reibungen führen. Im allgemeinen allerdings ist festzustellen, daß auch die gesamte Austauschgruppe vom Austausch profitiert, weil sie als solche vieles zusammen unternimmt, so dass manche vorher weniger integrierte Schüler nun besser „dazugehören“.

Auch wenn man die großen Worte nicht mag: Ein wesentlicher Auftrag der Schulen, und hier besonders der Fremdsprachen, ist die Vermittlung der länderübergreifenden Aspekte aus der Idee heraus, Fremdheit abzubauen und Interesse und Vertrauen zu schaffen. Was im Unterricht langfristig und in kleinen Schritten vor sich geht, geschieht im Austausch kurz und intensiv. Motivierend und gleichzeitig etwas einschüchternd ist dabei zunächst die Idee des Fremden, die fast immer sehr schnell einer Faszination weicht, die sich dann – ein für uns Lehrer nicht unwichtiger Effekt – positiv auf die spätere Motivation der Schüler im Unterricht, und zwar sowohl im sprachlichen als auch im landeskundlichen Bereich, auswirkt. Gleichzeitig ergibt sich, wenn die Jugendlichen vernünftig vorbereitet sind, ein fruchtbarer Vergleich mit dem eigenen Lebensumfeld, ein gewisser kritischer Abstand, der manches frühere Urteil korrigiert oder relativiert. Von besonderem Wert für den späteren Unterricht ist die Tatsache, dass die im Normalunterricht künstlich geschaffene Situation der Einsprachigkeit hier – zumindest teilweise – durch die Normalität ersetzt ist, die zunächst vielleicht als Zwang, dann aber auch als Herausforderung empfunden wird.

Reinhilt Richter-Bergmeier

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